Kurseinheit R030 Journalistische Ethik

Kurseinheit

Lernziel

Die Teilnehmer erlernen die allgemeinen ethischen Ansätze zu unterscheiden und zur eigenen Handlungsorientierung zu verwenden. Sie lernen die allgemeine Ethik mit der angewandten Ethik des Journalismus zu verknüpfen und die Grundlinien des deutschen Pressekodex in ihrem Zusammenhang zur Ethik zu verstehen, um ihre journalistische Verantwortung ethisch reflektieren zu können.

Studienbriefautor

Prof. Dr. Bernhard Debatin

Belegungsempfehlung  Dieser Studienbrief wird Teilnehmenden empfohlen, die die ethisch-soziale Verantwortung des Journalismus verstehen lernen möchten, um Leitkategorien und Werkzeuge zur ethischen Reflexion des journalistischen Handelns einzusetzen.
 
Inhalte Einführung in die journalistische Ethik; Die dei ethischen Grundfragen; Zentrale Anwendungsfelder der journalistischen Ethik
 
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Journalistische Ethik

Mit dem Thema journalistische Ethik muss sich grundsätzlich jeder befassen, der im Bereich des Journalismus arbeiten möchte, sei es als Journalist oder als Pressereferent. Denn werden in der Berichterstattung oder in der sonstigen täglichen Arbeit die journalistisch-ethischen Grundregeln nicht eingehalten, muss der verantwortliche Journalist mit einer Rüge des Presserates rechnen, was sich ungünstig auf seine Reputation und sogar auf seine Karriere auswirken kann.


Einführung in die journalistische Ethik

Die journalistisch-ethischen Grundlagen, die in Deutschland gelten, wurden 1973 im Pressekodex durch den Deutschen Presserat definiert. Sowohl Journalisten als auch Verleger haben über ihre jeweiligen Fachverbände den publizistischen Grundsätzen zugestimmt, die im Pressekodex formuliert waren. Damit handelt es sich beim Pressekodex um eine freiwillige Selbstverpflichtung. Inhaltlich orientierte sich der Deutsche Presserat am Ehrenkodex, welchen die internationale Journalisten-Föderation, die Journalisten aus 117 Ländern vertritt, formuliert.

Der Pressekodex umfasst insgesamt 16 Punkte, die sämtliche Tätigkeitsfelder des Journalisten umfassen. Neben diesen offiziellen Statuten haben sich in der Praxis weitere Regeln etabliert, durch die sich ein qualifizierter Journalismus auszeichnet. Dazu gehören folgende Punkte: Eine Nachricht muss durch mindestens zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt sein. Ist ein Konflikt Gegenstand der Berichterstattung, müssen beide Seiten eine Möglichkeit zur Darstellung ihres Standpunktes haben. Der Journalist muss stets eine kritische Distanz zum Thema bewahren, auch wenn ihm das Thema persönlich am Herzen liegt.

Verleger und Journalisten haben sich aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit auf die aktuell gültigen ethischen Grundsätze geeinigt. Denn von der Kaiserzeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden Journalisten allzu oft von den jeweiligen Machthabern instrumentalisiert worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aufgrund dieser Erfahrungen die Pressefreiheit sogar im Grundgesetz garantiert. Durch den Status einer freien Presse erhielt der Journalismus in Deutschland faktisch die Funktion einer vierten Macht im Staat, der sowohl Politiker als auch den Staat und seine Organe kritisch beobachtet und auf Missstände hinweisen kann. Dieser Status war jedoch äußerst fragil, wie etwa die Spiegel-Affäre in den 1960er Jahren gezeigt hatte. Durch den Pressekodex wurde deshalb erstmals journalistisch sauberes Handeln und dessen Grenzen definiert.

Dennoch bewegt sich der Journalist sowohl bei der Recherche als auch bei der Berichterstattung in einer Grauzone. Das gilt vor allem, wenn er investigativ arbeitet, um Missstände aufzudecken. Dies führt nicht selten zu einem Verantwortungsproblem. Beispielsweise, wenn sich stichhaltige Verdachtsmomente ergeben, dass ein Politiker korrupt ist oder sich bestimmte Missstände nur anhand von praktischen Beispielen aufzeigen lassen. In diesen und ähnlichen Fällen ist oft fraglich, ob etwa die Menschenwürde der Betroffenen durch die Berichterstattung und eventuelle öffentliche Reaktionen angegriffen sein könnte. Der wichtigste Paragraph des Pressekodex besagt deshalb, ein Journalist solle die Wahrheit achten und die Menschenwürde wahren.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, wurde auch das Recht der Richtigstellung eingeführt. Dieses besagt, dass das Medium, welches Nachrichten und Behauptungen veröffentlicht hat, die sich im Nachhinein als unrichtig oder falsch erwiesen haben, diese auf eine angemessene Art richtig stellen müssen.


Die drei ethischen Grundfragen

Gerade bei strittigen und heiklen Themen muss sich der Journalist der drei wichtigen Grundfragen journalistischer Ethik bewusst sein. Dabei handelt es sich um Tugend- und Wertethiken, Pflicht- und Sollensethiken sowie Folgen- und Verantwortungsethiken. In diesen ethischen Konflikt geraten Journalisten häufig dann, wenn sie über brisante Themen berichten und ihre Informationen nicht auf dem offiziellen Weg erhalten, sondern von Informanten, die Einblick in Interna haben. Auch wenn der Informantenschutz einen hohen Stellenwert hat, muss sich der Journalist bei seiner Recherche und Gegenrecherche beispielsweise stets die Frage stellen, ob er vielleicht seinen Informanten gefährdet oder ob eine Veröffentlichung vielleicht negative Folgen nach sich ziehen kann.


Zentrale Anwendungsfelder der journalistischen Ethik

In der Praxis besitzt der Journalist zahlreiche Werkzeuge, um dieser ethischen Verantwortung gerecht zu werden. Wo bei einem Sachverhalt die objektive Wahrheit liegt, lässt sich für den Journalisten unter Umständen gerade bei kontroversen Themen nicht herausfinden. Hier bleibt ihm die Möglichkeit, die unterschiedlichen Standpunkte in etwa gleichwertig zu schildern, sodass sich der Mediennutzer selbst ein Bild aus den unterschiedlichen Aussagen machen kann.

Zu den wichtigsten Grundsätzen, die auch gesetzlich verankert ist, gehört die journalistische Sorgfaltspflicht. Diese besagt unter anderem Folgendes: Sowohl der Inhalt als auch der Wahrheitsgehalt von Nachrichten muss überprüft werden, bevor diese veröffentlicht werden. Handelt es sich um Gerüchte oder unbestätigte Meldungen, muss dies im Rahmen der Berichterstattung auch deutlich gemacht werden. Ebenso sind Kommentare von Berichten deutlich zu trennen. Wird der Inhalt von einer seriösen Quelle wie einer Nachrichtenagentur übernommen, sind die Anforderungen an die Sorgfalt weniger streng. Wird hingegen durch die Berichterstattung in die Rechte eines Dritten eingegriffen, gelten äußerst strenge Maßstäbe. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt zu den Rechten, die in jedem Fall bei einer Berichterstattung berücksichtigt werden müssen. Diese steht oft dem Grundrecht der Pressefreiheit gegenüber, weshalb im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden muss, welches Recht als höher zu bewerten ist.

Zu den wichtigsten Kriterien für eine seriöse Berichterstattung gehört die journalistische Unabhängigkeit. Das bedeutet im Alltag: Ist der Journalist oder eine nahestehende Person in Dinge involviert, über die er berichten möchte, sollte die Berichterstattung besser ein Kollege übernehmen, um den Verdacht der Beeinflussung von vornherein auszuräumen. Beispielsweise kann ein Journalist, der selbst Mitglied einer politischen Partei ist, kaum unvoreingenommen über Vorgänge in dieser Partei berichten.

Bis zu einem gewissen Grad ist der Journalist darauf angewiesen, dass ihm bestimmte Informationen von Insidern zugetragen werden. Im Zuge der Recherche muss der Journalist häufig auf diese Informationen zurückgreifen, ohne den Informanten zu nennen. Dies wird als Informantenschutz bezeichnet und gilt als eines der höchsten Güter des Journalismus. So kann der Journalist etwa auch von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, sollte es als Folge der Berichterstattung zu einem Gerichtsverfahren kommen, bei dem die Gegenseite auch erfahren möchte, wer die Informationen an die Presse weitergegeben hat.

Die ethischen Grundsätze des Journalismus gelten nicht nur für die klassischen Medien, sondern auch für Onlinemedien, die von der Öffentlichkeit oft sogar noch sehr viel misstrauischer beäugt werden als eine Zeitung oder eine Fernsehsendung. Obwohl sich das Internet als bequemes Mittel zur Recherche erwiesen hat, muss der Journalist die Sorgfaltspflicht sehr viel intensiver beachten als wenn er auf althergebrachte Weise recherchiert. Der Grund: Jeder kann beliebige Informationen ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt ins Netz stellen, weshalb diese Informationen keinesfalls ohne eine fundierte Gegenrecherche verwendet werden dürfen.

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