Kurseinheit R020 Das deutsche Mediensystem

Kurseinheit
 
Lernziel Die Teilnehmenden sollen die deutsche Medienlandschaft mit ihren rechtlichen, politischen und ökonomischen Merkmalen kennen- und verstehen lernen.
Studienbriefautor Prof. Dr. Peter Hoeres
 
Belegungsempfehlung Dieser Studienbrief wird Teilnehmenden empfohlen, die sich einen fundierten Überblick über die Print- und Rundfunkmedien sowie der Internetmedien der deutschen Medienlandschaft verschaffen möchten.
Inhalte Überblick des dt. Mediensystems; die historische Entwicklung; Pressefreiheit; die Printmedien, das duale Rundfunksystem und das Internet; Journalismus und Gesellschaft.
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Das Mediensystem

Wer bei Reisen ins Ausland die dortigen Medien nutzen möchte, stellt meist gravierende Unterschiede zu den Medien in Deutschland fest. Zeitungen und Nachrichtensendungen sind anders aufgebaut, oft arbeiten die Medien sehr tendenziös und die Grenzen zwischen Journalismus und Unterhaltung sind oft fließend. Diese Unterschiede fallen je nach Land und Weltreligion unterschiedlich stark aus. Um diese Unterschiede zu vergleichen, hat die Kommunikationswissenschaft in den 1950er Jahren den Begriff "Mediensystem" entwickelt. Unter diesem Begriff versteht man die Gesamtheit aller journalistischen Formate, ihrer Träger sowie die gesellschaftlichen, juristischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in welche die journalistischen Formate eingebettet sind.

Das deutsche Mediensystem: eine Besonderheit

Das Mediensystem in Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nach den Erfahrungen mit gleichgeschalteten Medien aus der Nazi-Ära maßgeblich von den Alliierten geprägt. Sie gründeten in ihren jeweiligen Besatzungszonen die ersten neuen Nachrichtenagenturen und erteilten die für den Betrieb einer Zeitung notwendigen Lizenzen. In der Sowjetischen Besatzungszone sollten die Medien das System des Sozialismus fördern und unterstützen, während die Presse in den drei westlichen Besatzungszonen als neutrale und unabhängige Instanz gesehen wurde. Die Medien, so die Absicht, sollten neben Legislative, Exekutive und Judikative als eine Art vierter Gewalt im Staat agieren und die Regierung, deren Organe und Behörden kontrollieren.

Die Geschichte der Mediensysteme

Von Mediensystemen im Sinne einer ausgeprägten Medienlandschaft kann erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gesprochen werden, als die ersten Massenmedien entstanden und breite Schichten der Bevölkerung ausreichend gebildet waren, um die Medien auch nutzen zu können.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden die Medien phasenweise von den Regierungen reguliert, teilweise sogar zensiert. Die Mächtigen sahen die Medien häufig als Sprachrohr, mit dem sie die Bevölkerung erreichen konnte. Regulierungen und Zensur gipfelten während der Zeit des Nazi-Regimes schließlich in die Gleichschaltung der Medien, in der die Berichterstattung vom Reichspropagandaministerium strikt überwacht wurde.

Gefährdet die Konzentration die Meinungsvielfalt?

Während in der Vergangenheit Zensur und Regularien die Vielfalt der Medienlandschaft gefährdeten, ist es gegenwärtig eher die zunehmende Konzentration der Medien in die Hände weniger Medienkonzerne, wie es etwa in Italien bereits der Fall ist. Im deutschen Mediensystem ist hingegen die Vielfalt durch das bestehende System mit zahlreichen lokalen und regionalen sowie einigen bundesweiten Medien mit unterschiedlicher Ausrichtung gewährleistet.

Die Pressefreiheit: ein Grundgesetz

Als der Parlamentarische Rat in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre das Grundgesetz ausarbeitete, wurde die Pressefreiheit in Artikel 5 verankert und ist damit verfassungsrechtlich geschützt. Artikel 5 des Grundgesetzes besagt: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." Damit blieben die Verfassungsväter der Linie der Alliierten treu, die Zeitungen und Zeitschriften nur unter der Auflage zuließen, dass sich die Herausgeber zu demokratischen und freiheitlichen Grundwerten bekennen und die Entnazifizierung akzeptieren.

Durch diesen Status konnten es sich die Medien leisten, die Regierung der jungen Bundesrepublik zu widerstehen, auch wenn es immer wieder Versuche der Zensur gab. Diese erfolglosen Versuche gipfelten 1962 in der sogenannten Spiegel-Affäre. Das Nachrichtenmagazin hatte in seiner Ausgabe vom 10. Oktober 1962 unter dem Titel "Bedingt abwehrbereit" die Rüstungspolitik des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß kritisiert. Daraufhin wurden Haftbefehle gegen Spiegel-Mitarbeiter und den Herausgeber Rudolf Augstein erlassen und die Redaktionsräume besetzt. Andere Medien halfen mit Personal und Infrastruktur aus, sodass das Magazin weiter produziert werden konnte, während sich die Affäre zu einer ernsthaften Regierungskrise ausweitete.

Die Printmedien

Das deutsche Mediensystem wird wesentlich durch eine Vielzahl an Printmedien geprägt. Anders als in anderen Ländern gibt es keine starke Hauptstadtpresse als Leitmedium, sondern eine Vielzahl an lokalen und regionalen Tageszeitungen sowie einige überregionale Tageszeitungen. Diese erfüllen zumindest in Politik, Wirtschaft und Feuilleton teilweise die Funktion von Leitmedien, jedoch nicht in dem Umfang, wie es bei den überregionalen Tageszeitungen in anderen Ländern der Fall ist. Wochenzeitungen werden hingegen bis auf wenige Ausnahmen meist auf lokaler Ebene angeboten. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Anzeigenblätter, die kostenlos verteilt werden und deren journalistischer Anspruch höchst unterschiedlich ist.

Auch die Zeitschriftenlandschaft präsentiert sich in Deutschland als vielfältig, wenngleich es in den verschiedensten Themenbereichen hier einige Leitmedien gibt, die meist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden.

Generell verliert der Printjournalismus seit Anfang der 1990er Jahre an Auflage. Ursachen dafür liegen im größeren Angebot durch private Rundfunk- und Fernsehsender sowie vor allem durch die kostenlosen Angebote im Internet.

Das duale Rundfunksystem

Drei Jahrzehnte lang hatte der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland eine Monopolstellung. So wurde in den 1950er Jahren ein dezentral organisiertes Hörfunk- und Fernsehsystem unter der Kulturhoheit der Bundesländer etabliert. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schlossen sich 1950 zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, um ein bundesweites Fernsehprogramm ausstrahlen zu können. Auf Betreiben der Adenauer-Regierung wurde 1963 das ZDF als bundesweiter Sender gegründet, dessen Programm nicht von den Landesanstalten gestaltet wurde.

In den 1980er Jahren wurden schließlich die Rahmenbedingungen geschaffen, dass Mitte des Jahrzehnts die ersten privaten Fernseh- und Radiosender auf Sendung gehen konnten. Anders als die öffentlich-rechtlichen Sender, die durch die Finanzierung durch die öffentliche Hand auch einen gesetzlichen Informations- und Bildungsauftrag haben, werden diese ausschließlich durch Werbung finanziert. Deshalb liegt hier der deutliche Schwerpunkt auf dem Unterhaltungsprogramm. Dieses Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk nennt sich duales Rundfunksystem.

Verändern neue Medien das Rollenbild?

Lange Zeit sahen sich Journalisten in Deutschland in der Rolle, dem Mediennutzer die Welt erklären zu wollen, die das Geschehen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit einem kritischen Blick betrachten. Dieses Rollenverständnis hat sich seit Mitte der 1990er Jahre, also parallel zur Entwicklung des Internets als neues Medium, gewandelt. Inzwischen sehen sich Journalisten eher in der Rolle des reinen Informierers oder News-Managers.

Dazu hat auch beigetragen, dass eine steigende Zahl von Mediennutzern das Internet als Informationsquelle nutzt. Diese Informieren sich gleichermaßen auf den Online-Präsenzen etablierter Medien, in reinen Online-Medien und auf Blogs, die meist von journalistischen Laien betrieben werden. Zunehmend spielen außerdem soziale Netzwerke wie Facebook eine wichtige Rolle für Journalisten. Genutzt werden diese Netzwerke nicht nur zur Verbreitung von Informationen, sondern auch zur Informationsbeschaffung und um in einen direkten Dialog mit den Mediennutzern treten zu können.

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