Kurseinheit F030 Kulturjournalismus
Kurseinheit | |
Lernziel | Die Teilnehmenden sollen das Berufsbild des Kulturjournalisten kennen lernen und einen Einblick in das das Berichterstattungsfeld „Kultur" und seine Besonderheiten erhalten. |
Studienbriefautor | Prof. Dr. Gunter Reus |
Belegungsempfehlung | Dieser Studienbrief wird Teilnehmenden empfohlen, die interessiert sind, als Kulturjournalisten/Feuilletonisten tätig zu werden. |
Inhalte | Kultur und Journalismus; Kulturjournalismus und sein Publikum; Regeln, Prinzipien, Maximen. |
Notengewichtung | einfach |
Leseprobe | Download |
Kulturjournalismus
Der Kulturjournalismus hat seine Heimat im Feuilleton und widmet sich vor allem Themen aus Theater, Literatur, Musik, Film, bildender Kunst und Medien. Während in allen anderen journalistischen Ressorts Neutralität das höchste Gebot ist, wird der Kulturjournalismus vor allem von meinungsbildenden Formen der Berichterstattung geprägt. Dazu gehören neben Rezensionen vor allem Essays oder Portraits. Der Kulturjournalist arbeitet sehr oft mit kulturwissenschaftlichen Methoden. Der Grund: Ein Künstler und sein Schaffen lassen sich in vielen Fällen vom Mediennutzer nur dann verstehen und richtig einordnen, wenn dieser in einem gesellschaftlichen oder historischen Zusammenhang dargestellt wird. Beispielsweise arbeiten die Künstler in stark autokratischen Gesellschaften mit subtilen Mitteln der Kritik und Metaphern, die sich nicht zwangsläufig auf den ersten Blick erschließen.
Was versteht man unter Kultur?
Im weitesten Sinne versteht man unter Kultur alles, was der Mensch gestaltend erschafft. Nach dieser Definition gelten Neben der bildenden Kunst auch Technik, Religion, Wissenschaft und Wirtschaft zu den menschlichen Kulturleistungen. Allerdings ist der Kulturbegriff auch dem Zeitgeist unterworfen und wurde in der Vergangenheit auch geprägt von den Normen der Gesellschaft, den jeweils Herrschenden und von philosophischen Strömungen.
In der Antike herrschte - von Plinius dem Älteren geprägt - die Vorstellung, Kultur stehe in einem Gegensatz zur Natur, die eben nicht vom Menschen geschaffen wurde. Auf diesem Verständnis bauten auch neuzeitliche Philosophen wie Immanuel Kant auf, die den Menschen und die Kultur als logische Fortentwicklung der Natur sahen.
Kulturjournalismus im Wandel der Zeit
Die Wurzeln des Kulturjournalismus reichen bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück, als die ersten Zeitungen gegründet wurden. Denn schon damals wurden Bücher und Theaterstücke in den damals neuen Medien besprochen oder Auszüge aus Romanen abgedruckt. In einem eigenen Ressort wurde der Kulturjournalismus aber erst während der Französischen Revolution im ausgehenden 18. Jahrhundert präsentiert. Der Journalist, Autor und Kulturkritiker Julien Louis Geoffroy, verwendete als erster diesen Begriff für seine Rubrik, in der neben Büchern auch Theateraufführungen besprochen wurden.
Zu einem klassischen Ressort wurde das Feuilleton während des 19. Jahrhunderts, als zahlreiche weitere Zeitungen einen Kulturteil im Hauptblatt übernahmen. Nun bemühten sich die Herausgeber auch um berühmte Namen, welche Kritiken verfassen sollten. Beispielsweise veröffentlichte der Komponist Richard Wagner auch zahlreiche Musikkritiken.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Tradition eingeführt, in den Zeitungen auch Fortsetzungsromane abzudrucken, die sich vor allem bei Regionalzeitungen bis in die Gegenwart gehalten hat. Dabei handelte es sich zunächst um eine für die Verlage günstige Möglichkeit, den Platz in den Zeitungen zu füllen. Erst später rückte der Aspekt der Leser-Blatt-Bindung in den Vordergrund.
Das moderne Feuilleton entsteht
Der Journalist Ludwig Börne und der Schriftsteller Heinrich Heine gelten als Väter des modernen Feuilletons, das ab den 1920er Jahren in den Medien Einzug hielt. Bis in die Gegenwart hinein gilt das Feuilleton als große Domäne von überregionalen Tageszeitungen. Dieses Ressort ist oft bewusst elitär gehalten und wird teilweise von großen Namen aus dem Kunstbetrieb beliefert.
Die Meinung steht im Vordergrund
Obwohl Kulturjournalisten ein relativ breites Spektrum an Texten - vom Bericht bis hin zur Kritik - bearbeiten, stehen die meinungsbetonten Formen im Vordergrund. Der Verfasser urteilt also üblicherweise, versucht jedoch, sein Urteil rational zu begründen.
Das Feuilleton und sein Publikum
Die Tradition dieser Schreibweise erlaubt den Journalisten im Kulturjournalismus sehr viel mehr Freiheiten als in anderen Ressorts. Der Kulturjournalist hat also auch sehr viel mehr Möglichkeiten, kontroverse, gesellschaftliche Debatten auszulösen. Beispielsweise hatte der 1988 erschienene Roman "Die Satanischen Verse" von Salman Rushdie weltweit für Kontroversen gesorgt, wodurch aber auch das Bewusstsein der Mediennutzer für die Situation in der arabischen Welt geschärft worden war, sodass später über den Arabischen Frühling auch ausführlich in allen Ressorts berichtet wurde, was ohne ein Hintergrundwissen seitens der Mediennutzer möglicherweise nicht erfolgt wäre.
Dass es gerade durch die Berichte im Feuilleton immer wieder zu Kontroversen kommen kann, liegt teilweise aber auch an den Kunstschaffenden selbst: Um die möglichen Auseinandersetzungen wissend, setzen sie oft bewusst auf Provokation, weil selbst ein ausführlicher Verriss eine willkommene, kostenlose Werbung für sie und ihr Werk darstellt.
Rezensent und Publikum: eine Hassliebe?
Auch das Verhältnis des Kulturjournalisten zu seinem Publikum ist nicht immer frei von Spannungen. Als Paradebeispiel für einen polarisierenden Kulturjournalisten darf etwa der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gelten, der ob seiner gnadenlosen Direktheit gefürchtet war. Allerdings konnten sich auch Schriftsteller wie Günter Grass, Elfriede Jelineck oder Peter Handke, die von Reich-Ranicki teilweise vernichtend kritisiert wurden, vielleicht gerade deshalb im Literaturbetrieb behaupten.
Der Autor steht im Vordergrund
Grundsätzlich stehen Kulturjournalisten, die oft in eigenen Rubriken veröffentlichen, sehr viel stärker im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung als ihre Kollegen aus anderen Ressorts. Denn Namensnennungen oder gar regelmäßige Rubriken erhalten dort meist nur erfahrene Kollegen, die sich in einem Bereich ein gewisses Renommee und einen Expertenstatus erarbeitet haben. Der Journalist Peter Scholl-Latour etwa galt als absolute Kapazität in der Außenpolitik und publizierte regelmäßig aufwendige Hintergrundberichte und Kolumnen zu den aktuellen Brennpunkten der Welt.
Weil selbst in Regionalmedien die Kulturjournalisten aus der oft anonymen Masse der Kollegen in den Redaktionen herausragen und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind, gilt der Kulturjournalismus bisweilen auch als Autorenjournalismus.
"Nur" ein Kritiker
Obwohl der Kulturjournalist als Kritiker eine wichtige Rolle im Dschungel der zahllosen Neuerscheinungen im Kulturbetrieb hat, ist er mehr als nur in Kritiker. Sehr oft erfüllt der Kulturjournalist auch die Rolle eines Reporters, der schlicht über Personen oder Ereignisse berichtet. Aber auch in diesem Fall ist eine größere Nähe zu den Personen und Objekten der Berichterstattung gegeben als es in anderen Ressorts der Fall ist.
Der Grund: Künstler legen üblicherweise einen großen Teil ihrer Persönlichkeit, ihrer Erfahrungen, ihrer Einstellungen und Meinungen in ihr Werk. Will der Kulturjournalist wirklich gute Informationen bekommen, braucht er einen guten Draht zu den Künstlern oder den Veranstaltern im Kulturbetrieb.
Wie verständlich muss der Kulturjournalist arbeiten?
Wie die Kollegen aus anderen Ressorts arbeitet der Kulturjournalist ebenfalls bis zu einem gewissen Grad als Übersetzer für die Mediennutzer. Er muss allerdings nicht eine bestimmte Fachsprache in allgemein verständliches Deutsch übersetzen. Denn Kulturschaffende arbeiten häufig in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. Der Kulturjournalist ist also insofern gefordert, als dass er diesen Zusammenhang erfassen und erkennen muss. Erst dann kann er ihn in die passenden und für seinen Mediennutzer verständlichen Worte fassen.