Kurseinheit F020 Justizberichterstattung

Kurseinheit
 
Lernziel Die Teilnehmenden sollen das Berufsbild des Justizberichterstatters kennen lernen und einen Einblick in das das juristische Berichterstattungsfeld und seine Besonderheiten erhalten.
 
Studienbriefautor Prof. Dr. Udo Branahl
 
Belegungsempfehlung Dieser Studienbrief wird Teilnehmenden empfohlen, die interessiert sind, als Justizberichterstatter tätig zu werden.
 
Inhalte Die Justiz als Gegenstand der Berichterstattung; Ziele/Aufgaben der Justizberichterstattung; Informationsbeschaffung und redaktionelle Planung; rechtliche Grenzen der Justizberichterstattung; Hinweise zur Gestaltung von Gerichtsberichten.
 
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Justizberichterstattung

Ein sehr wichtiges und weites, aber auch relativ heikles Feld der journalistischen Berichterstattung ist die Justizberichterstattung. Eine juristische Ausbildung ist nicht zwingend notwendig, um in diesem Feld arbeiten zu können. Der Grund: Die Justizberichterstattung deckt ein breites Feld von Sozial- bis hin zu Strafverfahren ab, also ein sehr viel weiteres Feld, als im regulären Jurastudium abgedeckt wird. Wer juristische Kenntnisse mitbringt, hat allerdings den Vorteil, dass er die Relevanz von Gerichtsentscheidungen leichter einschätzen kann und die Verfahrensabläufe sehr viel besser kennt als ein Laie. Hinzu kommt, dass dem Journalisten im Bereich der Justizberichterstattung diverse Grenzen gesetzt werden, die in dieser Form in anderen Ressorts nicht gelten.

Was ist die Justiz?

Im weitesten Sinne handelt es sich bei der Justiz neben der Legislative und der Exekutive um die dritte Säule des Rechtsstaates. Sie ist dafür zuständig, dass die bestehenden Gesetze auf den Einzelfall angewendet werden. Neben Gerichten und Staatsanwaltschaften gehören auch Notariate, Justizverwaltung und Strafvollzugsanstalten zu den Organen der Justiz. Journalisten, die sich der Justizberichterstattung widmen, arbeiten allerdings meist im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Aus welchen Bereichen der Justiz darf berichtet werden

Gerichtsverfahren teilen sich auf in folgende Bereiche, die in unterschiedlichem Ausmaß Berücksichtigung in der Justizberichterstattung finden:

- Zivilprozesse

Hierbei handelt es sich in den meisten Fällen um juristische Auseinandersetzungen zwischen Privatpersonen oder Unternehmen. An die Öffentlichkeit gelangen Fälle aus einem Zivilverfahren üblicherweise nur, wenn eine Person des öffentlichen Lebens involviert ist oder eine der am Prozess beteiligten Parteien von sich aus an die Öffentlichkeit geht. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, bei dem auch umfangreich aus den zivilen Verfahren berichtet wurde, ist die Pleite des Medienmoguls Leo Kirch, welche eine komplette Neugestaltung der Medienlandschaft in Deutschland zur Folge hatte und die Justiz über Jahre hinweg beschäftigte.

- Strafverfahren

Vor allem im Lokal- und Regionalteil der Medien wird über Strafverfahren an den örtlichen Amts- und Landgerichten berichtet. Grundsätzlich finden die meisten Verfahren in öffentlicher Sitzung statt - das heißt, sowohl Presse als auch Zuschauer können dem Verfahren beiwohnen. Berichtet wird jedoch in der Regel nur über gravierende Strafverfahren. Schwere Betrügereien oder Sexualstraftaten zählen etwa zu den klassischen Themen, die von nahezu allen Medien aufgegriffen werden.

- Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte

Regelmäßig finden auch Urteile aus Sozial- und Finanzgerichten Eingang in die Justizberichterstattung. Entscheidungen von Verwaltungsgerichten werden zumindest von Publikumsmedien eher selten aufgegriffen, weil eine zu geringe Zahl an Mediennutzern an diesen Interesse hat oder davon betroffen ist. Die Entscheidungen von Finanzgerichten haben hingegen häufig direkte Auswirkungen auf den Mediennutzer, weil es hier meist um strittige steuerliche Fragen geht. Die Sozialgerichte hingegen haben vor dem Hintergrund der Hartz-Reformen zunehmend an Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung gewonnen.

Welche Aufgaben hat die Justizberichterstattung?

Im Wesentlichen erfüllt die Justizberichterstattung folgende Aufgaben:

Die Berichterstatter sollen über die Tätigkeit der verschiedenen Gerichte berichten, um zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Damit stellen sie außerdem die Entscheidungen der Richter und die Hintergründe, warum diese so gefallen sind, öffentlich zur Diskussion. Bei umfangreichen Verfahren kann sich daraus eine umfangreiche öffentliche Diskussion zum Thema Recht ergeben. Dies war in Deutschland etwa nach den sogenannten Nazi-Prozessen der Fall und setzt sich teilweise mit Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte fort.

Eine weitere wichtige Funktion erfüllt der Journalist als Ratgeber, der den Mediennutzer über die konkreten Auswirkungen von Gesetzen auf den Bürger informiert. Dies geschieht einerseits durch die Berichterstattung über Entscheidungen von Sozial- und Finanzgerichten, andererseits im Zuge von Gesetzesänderungen. Eine beliebte Rubrik beschäftigt sich in vielen Medien zum Jahresende mit den Änderungen im kommenden Jahr. Hierbei werden auch juristische Themen angesprochen, die oft von einem Rechtsanwalt erklärt werden.

Gelegentlich bieten Gerichtsverfahren auch einen gewissen Unterhaltungswert für die Mediennutzer. Das gilt vor allem, wenn Prominente vor dem Richter stehen.

Die Informationsbeschaffung in der Justizberichterstattung

Auch die Informationsbeschaffung kann für den Berichterstatter eine Herausforderung darstellen. Er erfährt zwar die Termine und den Gegenstand einer Verhandlung in der Geschäftsstelle des Gerichtes, jedoch erhält der Journalist im Vorfeld meist keine Informationen von den direkt Beteiligten, weil diese nicht ganz zu Unrecht befürchten müssen, dass ihnen eine versuchte Einflussnahme auf den Ausgang des Verfahrens unterstellt werden könnte.

Sobald die Verhandlung abgeschlossen ist, stehen jedoch Staats- und Rechtsanwälte meist für weitere Auskünfte zur Verfügung. Für den Journalisten ist das insofern wichtig, als ihm möglicherweise Hintergründe aus Akten fehlen, die nicht öffentlich verlesen wurden.

Lässt sich die Justizberichterstattung planen?

In tagesaktuellen Ressorts lässt sich die Justizberichterstattung nur relativ schwer planen. Denn es kann durchaus vorkommen, dass auch bei relativ einfachen Fällen während des Verfahrens eine neue Erkenntnis auftaucht und das Verfahren an einem weiteren Verhandlungstag fortgesetzt wird.

Die Grenzen der Berichterstattung

Der Journalist muss in der Justizberichterstattung sehr viel vorsichtiger agieren als in anderen Ressorts. So genießen sowohl die Opfer von Straftaten als auch die Täter den sogenannten Öffentlichkeitsschutz, weil sie nicht öffentlich stigmatisiert werden sollen. Bei allen Medien, die mit Bildern arbeiten, ist es deshalb üblich, die Gesichter auch von verurteilten Tätern unkenntlich zu machen. Bei zahlreichen Delikten wie Sexualstraftaten ist es außerdem nicht unüblich, dass der öffentliche Teil einer Verhandlung unterbrochen wird, wenn das Opfer persönlich vernommen wird.

Sensibilität ist auch notwendig, wenn ein Unternehmen vor Gericht steht. Hier werden nicht selten Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse genannt, die jedoch einer größeren Öffentlichkeit nicht bekannt gemacht werden sollen.

Können sich Journalisten vor Konsequenzen schützen?

Weil Journalisten, die in der Justizberichterstattung tätig sind, üblicherweise mit einem überschaubaren Kreis von Informanten zusammenarbeiten, entwickelt sich zu diesen häufig ein besonderes Vertrauensverhältnis. Das bedeutet: Die Journalisten können von diesen Informationen bekommen, die ihnen zum besseren Verständnis der Hintergründe dienen, jedoch nicht veröffentlicht werden sollen.

Weil Berufsanfängern dieses Netzwerk fehlt, können sie sich durch gezieltes Nachfragen absichern. Denn auch Gerichte und Staatsanwälte haben ein Interesse an einer korrekten Berichterstattung. Viele Medien beschäftigen außerdem einen eigenen Rechtsanwalt, dem heikle Sachverhalte vor der Veröffentlichung vorgelegt werden können.

Wie müssen die Berichte gestaltet sein?

Berichte, die von Ereignissen aus dem Gerichtssaal handeln, müssen in erster Linie inhaltlich korrekt sein. Vor allem bei Publikumsmedien geht es außerdem darum, das relativ komplizierte Juristendeutsch für den Mediennutzer zu übersetzen. Je nachdem, worum es sich im Einzelfall handelt, kann der Bericht auch eine bestimmte Dramaturgie beinhalten, dies ist allerdings auch themenabhängig.