geschrieben von Eva-Maria Hartmann
Publikationsdatum am 11.12.15 15:06
Zum Jahresende 2014 gestand die Hochschulrektorenkonferenz, einer Wiedereinführung von Studiengebühren nicht abgeneigt zu sein. Wäre es sinnvoll, am stark kritisierten, "klassischen" Modell festzuhalten, oder ist es an der Zeit, neue Wege einzuschlagen?
„In allen öffentlichen Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich.“
Auf den ersten Blick lassen sich Studiengebühren nicht mit Artikel 59 der Hessischen Landesverfassung vereinen. Wirtschaftlich schwächer gestellte Menschen könnten an der finanziellen Hürde der Gebühren scheitern und so von der Hochschulbildung ausgeschlossen werden - ein Paradebeispiel der Zweiklassengesellschaft. Diejenigen, die es sich leisten können, gehen durch das Studium regelrecht ein Vertragsverhältnis ein. Kommerziell erwerben sie eine Dienstleistung, anstatt das Studium als Selbstzweck und Recht auf Bildung wahrzunehmen.
Die Kritiker der Studiengebühren übersehen hier allerdings, dass ein Vertrag immer zwei gleichberechtigte Seiten voraussetzt. Zahlt der Student für die Qualität seines Studiums, kann er seine Erwartungen auch höher ansetzen. Überfüllte Hörsäle, ungünstige Bibliotheksöffnungszeiten und veraltete PCs muss er nun nicht mehr dulden. In den überfüllten Hörsälen im Informatikstudium beispielsweise muss sich der motivierte Student seine Sitznachbarn gar nicht genauer ansehen: Voraussichtlich wird er beide, links und rechts, im nächsten Semester nicht wiedersehen. Die Abbruchquote liegt hier nämlich bei über 50%. Studiengebühren verringern die Abbruchquote und räumen den wirklich interessierten Studenten Platz im Gebäude ein. Ein Hochschulabschluss gewinnt so wieder an Bedeutung, da das Niveau an den Universitäten durch weniger Studenten pro Dozent steigt. Man kann sich nicht mehr in der Masse verstecken und sich durch die Klausuren mogeln. Das Studium ist persönlicher, und jeder einzelne Student trägt Verantwortung für seine Leistung.
So weit zur Theorie - Studiengebühren können also tatsächlich zur „Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre“ beitragen, wie die politische Begründung lautet. Allerdings frustrierte die bisherige Umsetzung der Idee mehr, als dass sie Früchte trug: Studenten fühlten sich ihres Rechts auf Bildung beraubt, der Universitätsbetrieb wurde durch Volksbegehren eingeschränkt und die Hochschulverwaltung wusste ohnehin nicht, wohin mit dem Geld. Zweckgebunden sollte es ausgegeben werden. Doch wo genau liegen die Zuständigkeitsbereiche des Staates und die der Universität? Verbessert eine Toilettensanierung die Qualität und die Lehre, oder sind instandgehaltene Sanitäranlagen an öffentlichen Hochschulen voraussetzbar – und somit Aufgabe des Staates? Ist die Anschaffung von Tischkickern wie an der Hochschule Osnabrück zweckgebunden, oder lediglich ein luxuriöses Aushängeschild für deren Aufenthaltsräume?
Die Umsetzung des Modells „Studiengebühren“ führte bisher dazu, dass sie vor allem unter der Studentenschaft als „Campusmaut“ verschrieen wurde. Wie sie ihnen während des Studiums aber sogar dienen könnten, ging unter.
Sinnvoll und rechtens im Hinblick auf den Artikel 59 wäre ein Modell, das den Studenten die Bedeutung eines Hochschulstudiums vor Augen führt: Ehrgeiz, Durchhaltevermögen und Fleiß, die in Form eines akademischen Abschlusses belohnt werden. Studiengebühren führten bisher dazu, dass nach finanziellen Möglichkeiten selektiert wird und nicht nach Leistung. Denkbar und sinnvoll wäre eine Leistungsüberprüfung pro Semester. Hierzu müsste jedes Land für die öffentlichen Hochschulen einen Notendurchnittsminimum festlegen. Am Ende jedes Semsters würde dann die Leistung des Studenten mit dem festgelegten Leistungsminimum verglichen werden: Jeder, der beispielsweise eine zwei vorm Komma vorweisen kann, darf gebührenfrei ins nächste Semester starten. Wird das Minimum unterschritten, darf zwar weiterstudiert werden – allerdings gebührenpflichtig. So würden die Studenten jedes Semster eine neue Chance erhalten und hätten vor allem einen Anreiz, Ehrgeiz, Durchhaltevermögen und Fleiß an den Tag zu legen.
Anstatt wieder permanente Gebühren einzuführen, sollte also eher die Rede von einem permanenten Numerus Clausus sein. Trotz derzeitiger Gebührenfreiheit in Hessen fällt nämlich keinem Studenten im Hörsaal der Putz auf den Kopf. Das vorgeschlagene Modell würde außerdem unnötige Diskussionen um die Verwendung Millionen von Euros vermeiden („Verbessert die Anschaffung von Tischkickern die Qualität der Lehre?") und den Fokus wieder auf das legen, worum es im Artikel 59 geht: Die Bildung.