geschrieben von Claudia Nöthiger
Publikationsdatum am 16.02.16 15:16
Polizisten und Sicherheitspersonal dürfen in São Paulo, Brasiliens größter Stadt, in der Öffentlichkeit stillende Mütter nicht mehr ermahnen. Soweit sind wir in Deutschland glücklicherweise (noch) nicht, immerhin vor der Polizei müssen sich die Mütter nicht fürchten. Die Frage ist so alt wie die Zivilisation, seit sie anscheinend keine größeren Probleme mehr hat (oder die tatsächlichen Probleme zu groß geworden sind), als stillende Mamas in der Öffentlichkeit. Immer wieder taucht die Frage auf, ob Stillende mit offener Bluse und Baby an der Brust obszön sind.
Für unsere Gesellschaft ist das kein Kompliment, dass wir etwas so Natürliches anstößig finden. In Zeiten von Hotpants, die mehr zeigen als verdecken, Dekolletés so tief wie der Grand Canyon oder RTL II ab zehn Uhr abends, müssten wir über diese Diskussion längst hinaus sein. Wie kann elementarste Evolution Schamgefühl auslösen? Wieso verurteilen wir, womit wir selbst groß geworden sind? Es ist bewiesen, dass nichts den Nachwuchs so gedeihen lässt wie Muttermilch. Sie fördert die Bindung zwischen Mutter und Kind und nach neuesten Erkenntnissen sogar die Intelligenz. Wieso also sollten sich Mütter in ihren vier Wänden verstecken müssen, nur, um Leute, die auch mal an Mutters Busen hingen, nicht zu stören?
Angesichts rückläufiger Geburtenrate und unsicherer Rente, müsste alles getan werden, um das Mamasein zu erleichtern. Stattdessen abschätzige Blicke im Café, Park oder Einkaufszentrum und Geflüster in Hörweite der Mütter. Mittlerweile ist es sogar soweit, dass sich Stillende aus Angst vor Beschimpfungen zurückziehen. Auch im Internet wird heftig debattiert, die Frage spaltet die Bevölkerung und dabei gibt es durchaus auch Frauen, die ihre Geschlechtsgenossinnen zur Diskretion auffordern.
In einer freien und liberalen Gesellschaft, wie wir sie anstreben und wir wie sie in der Welt postulieren, müssen sich stillende Frauen frei bewegen können. Schluss mit der Doppelmoral und zurück zur Natürlichkeit!