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Eine Krankheit der Jugend - Warum es uns schwer fällt Mitgefühl zu empfinden



Sei es in privaten Gesprächen oder in Kommentaren im Internet, eins fällt mir momentan ziemlich deutlich auf: Unsere Generation scheint es irgendwie verlernt zu haben, Mitgefühl zu empfinden. 

Ich bin ehrlich, das Zeigen von Mitgefühl gehört auch nicht zu meinen größten Stärken. Eins ist für mich aber immer noch selbstverständlich,-:  wenn einer alten Dame neben mir die Einkäufe herunter fallen, helfe ich sie wieder aufzusammeln. Warum ich das tue? Gute Frage, vermutlich weil ich es nicht anders gelernt habe. Meine Eltern waren zwar auch nie die großen Freiheitskämpfer oder Idealisten, aber eines haben sie mir beigebracht: Wenn du siehst, dass jemand Hilfe benötigt und du helfen kannst, dann tu es einfach. In letzter Zeit fallen mir dabei jedoch immer mehr die verwunderten Blicke meiner Gleichaltrigen auf. Diese fragen mich dann: “Wieso machst du sowas? Was hast du davon?“ Tja und da haben wir wohl gleich einen ganz entscheidenden Punkt genannt, wieso etwas tun, wenn ich doch gar nichts davon habe? Ich kann es nämlich weder in meinem Lebenslauf unter „sozialem Engagement“ nennen, noch bekomme ich dafür irgendwelche Bonuspunkte gutgeschrieben. Klar, jetzt kann man sagen, dass ich sozusagen Bonuspunkte im Leben angerechnet bekomme. Nach dem Motto: Wer Gutes tut, bekommt auch Gutes zurück. Aber seien wir mal ehrlich, inzwischen sind wir alle alt genug, um zu wissen, dass diese Lebensweisheiten nicht immer aufgehen. Nur weil ich mich in dieser Situation hilfsbereit zeige, heißt das noch lange nicht, dass ich deswegen die Zusage für einen Job oder eine Wohnung bekomme. Im Gegenteil, in solchen Situationen ist für Mitgefühl kein Platz. Durchsetzungsfähigkeit, Selbstständigkeit und Zielstrebigkeit, dass sind schon eher die Voraussetzungen, die dabei hilfreich sein können. Aber Mitgefühl? Nicht wirklich.

Warum es eigentlich gar nicht unsere Schuld ist

 Wir sind eine der Generationen, die früher oft „liebevoll“ die „Null-Bock-Generation“ genannt wurde. Inzwischen sind wir allerdings alle älter geworden, die Meisten von uns sind mit Ihrer Ausbildung fertig oder studieren. Mit anderen Worten, wir sind erwachsen geworden. Dennoch habe ich heute noch die Worte meiner Lehrer in den Ohren: „Eine Lehrstelle gibt es nicht an jeder Straßenecke, ihr müsst euch durchsetzen!“. Und letztendlich hat das der Großteil von uns auch getan, wir haben uns durchgesetzt. Darin sieht Stadtjugendpfleger Lothar Girrbach aus Illertissen einen weiteren Punkt, nämlich, dass es heutzutage um den Wettbewerb geht und nur die Besten weiter kommen. Denn auch das ist jedem von uns bewusst, es reicht nicht mehr einen passablen Realschulabschluss zu haben um später mal erfolgreich zu sein. Nein, wir benötigen meist noch das Abitur, ein erfolgreiches Studium sowie diverse freiwillige Praktika, durch die wir zeigen, wie leistungsbereit wir sind. Das Zeigen von Mitgefühl, beziehungsweise das zu große Beharren auf anderen Werten wird uns dagegen oft eher als Schwäche ausgelegt. Dann heißt es zum Beispiel, dass wir nicht „hart“ genug sind, um in der Arbeitswelt zu überleben. Zwar wird in Bewerbungsgesprächen auch immer wieder die ach so wichtige Teamfähigkeit hervor gehoben, aber mal ehrlich, in der Realität sieht es damit ein bisschen anders aus. Natürlich sollen wir unsere Kollegen nicht diskriminieren, aber wir sollen auch nicht vergessen, dass irgendwann eine Beförderung ansteht. Nun ja - und da sind wir auch wieder bei unserem Ausgangspunkt: Durchsetzungsvermögen. Wir sollen es zwar nett verpacken, aber ganz aus den Augen verlieren dürfen wir es nie. 

Warum wir grundsätzlich mehr erwarten

Das bringt uns jedoch gleich zur nächsten Frage. Warum sind uns Erfolg und Wohlstand so wichtig? Eine Ursache ist dafür, laut Jugend- und Kinderpsychotherapeutin Ursula Michels, dass wir größten Teils in recht wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen sind. Die überwiegende Mehrheit von uns, ist daran gewöhnt einen gewissen Lebensstandart zu führen. Und diesen wollen wir natürlich auch nach unserem Auszug aus dem elterlichen Refugium behalten. Aber wie soll das gehen, wenn wir dabei ständig auf den Mitbewerber neben uns achten? Genau, gar nicht. Der starke Leistungsdruck könnte nach der Meinung von Frau Michels ein Grund für unser verringertes Mitgefühl sein. Da wir deswegen logischerweise  eher mit uns selbst beschäftigt sind, als mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen. Zwar gäbe es laut Frau Michels auch einige Gegenbewegungen, die versuchen sich dem Konkurrenzkampf zu entziehen, allerdings machen diese nicht den Massenanteil aus. Und auch hier muss ich mir wieder an die eigene Nase fassen, auch ich möchte wenn möglich meinen Lebensstil aufrechterhalten. Dafür liegt der Grund  für mich auf der Hand: Es ist ganz einfach wahnsinnig bequem. Natürlich möchte ich auch die Welt verändern, aber das bitte in Markenschuhen. Und zugegebener Weise, erhoffe auch ich mir, irgendwann genug Geld zu verdienen, um mir ein eigenes Haus oder andere Annehmlichkeiten leisten zu können. Aber warum sollte ich auch meine Erwartungen herunter schrauben, denn schließlich haben mir meine Eltern auch vorgelebt, dass man durch harte Arbeit irgendwann an sein Ziel kommt. Schwierig wird es aber dummerweise dann, wenn uns bewusst wird, dass harte Arbeit alleine längst nicht mehr ausreicht. Denn neben uns gibt es immer jemanden der besser qualifiziert ist oder ganz schlichtweg bessere Kontakte hat als wir. Unsere Generation ist aber leider nicht darauf vorbereitet worden zu versagen, ganz im Gegenteil, von uns wird Großes erwartet. Wir sollen die Bildungselite von morgen sein und das obwohl wir manchmal schon Probleme mit der Rechtschreibung haben. Aber das nur nebenbei. Natürlich können und wollen wir nicht zugeben, dass wir manchmal mit unserer Anspruchshaltung gegenüber uns selbst überfordert sind. Denn das würde ja gleichzeitig bedeuten, dass wir nicht an uns selbst glauben - und wer will schon einen Mitarbeiter ohne Selbstvertrauen. 

Warum es natürlich mal wieder die Medien waren

So, nun habe ich bereits ein paar Ursachen genannt, die für unser vermindertes Mitgefühl verantwortlich sein können. Eine weitere ist bis jetzt allerdings verschont geblieben. Und wie sollte es anders sein, natürlich sind es mal wieder die Medien. Durch sie bekommen wir nämlich oft einen Eindruck davon, was richtig bzw. falsch sein soll. So wird in einem Magazin zum Beispiel als erstes auf den gefährlichen Magerwahn bei Stars hingewiesen, auf der nächsten Seite wird dann aber gleichzeitig über die Gewichtsprobleme anderer Prominenter berichtet. Was lernen wir daraus? Man soll sich zwar gerne öffentlich gegen Essstörungen äußern, aber bei dieser Stellungnahme sollte man dann doch bitte Kleidergröße zweiunddreißig tragen. Natürlich ist uns die Unsinnigkeit einer solchen Berichterstattung bewusst, entziehen können wir uns ihr jedoch nicht. Genauso wenig wie wir es schaffen, uns komplett aus sozialen Netzwerken rauszuhalten, obwohl wir wissen, dass dadurch eigentlich nur unsere Daten ausspioniert werden sollen. Oder um es anders zu sagen, wir wissen es zwar besser, lassen uns aber trotzdem von den Medien manipulieren. Als besonders einflussreich sieht Herr Kunze, Lehrer an der staatlichen Jakop Küner Wirtschaftsschule in Memmingen, dabei das Medium Internet. Dort wird uns nämlich auch gezeigt, dass es ganz normal ist, in jungen Jahren schon wahnsinnig erfolgreich und gutverdienend zu sein, super auszusehen und neben bei noch total viel Freizeit zu haben, in der wir dann unglaublich fotogene Erinnerungsbilder mit unseren Freunden machen.  Allerdings gibt es da immer noch den kleinen aber entscheidenden Unterschied zwischen dem Internet und der Realität. Diese kleine Diskrepanz übersehen wir aber nur zu gern.

Warum es eigentlich doch auch (ein bisschen) unsere Schuld ist

Die Konsequenz aus den oben genannten Ursachen ist aber leider auch, dass wir unser Leben damit verbringen, einem Idealbild hinter her zu rennen, das wir ohne Wunder oder chirurgische Eingriffe nie erreichen können. Und bis uns das irgendwann klar wird, haben wir Stunden mit diversen Äußerlichkeiten und dem Erheben von Ansprüchen vergeudet, die wir eigentlich besser hätten nützen können. Womit? Zum Beispiel damit anderen Menschen zu helfen. Ja,  ich weiß, es ist viel einfacher den Anderen die Schuld zu geben, als sich einzugestehen, dass wir auch unseren Anteil tragen. Und ja, es ist auch viel bequemer so zu tun, als ob wir durch die gesellschaftlichen Anforderungen an uns gar nicht anders können, als uns egoistisch zu verhalten. Wenn wir dabei jedoch fair bleiben wollen, müssen wir irgendwann einräumen, dass das größten Teils nur Ausreden sind. Schließlich sollten wir auch nicht vergessen, dass wir nicht für immer jung bleiben werden und dass auch wir eines fernen Tages auf die Hilfe anderer angewiesen sein werden. Und da schließt sich wieder der Kreis, mit der alten Dame, der die Einkäufe herunter fallen. Wenn wir nämlich einmal an ihrer Stelle sind, würden wir das Selbe von unseren Mitmenschen erwarten. Und sollte sich die Erwartung, dass uns jemand hilft, dann nicht erfüllen, haben wir wenigstens das Recht zu sagen: „Die jungen Leute von heute, wir waren da ganz anders.“


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